Förderung einer Kultur der Innovation: Interview mit Greg Kinsey

Greg Kinsey | 4/7/2022

Themen: Minitab Engage, Innovationsverwaltung

 

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Greg Kinsey ist Branchen- und Unternehmensberater. Er unterstützt Industrieunternehmen bei ihrer Industrie 4.0-Strategie, der Implementierung, Einbindung und Ausrichtung von Stakeholdern, dem Einsatz von Genba und der Verwirklichung von Vorteilen.

Greg hat über 30 Jahre Industrieerfahrung , vorrangig in den Bereichen Automobile, Elektronik, Luft- und Raumfahrt sowie Konsumgüter. Wir hatten die Gelegenheit, mit ihm über Innovation zu sprechen, warum sie so wichtig ist und wie Unternehmen innovativer arbeiten können.

WAS IST IHRE VISION FÜR INNOVATION IN EINER MIT DATEN GESÄTTIGTEN WELT?

Meiner Ansicht nach haben sich in der heutigen Welt die Möglichkeiten zur Innovation vervielfacht, weil so viele Daten verfügbar sind. Sie können nicht nur die Grundlage für Innovation bilden, sondern direkter Bestandteil von Innovation sein.

Wenn Sie einen Schritt zurück machen und an Innovation denken, dann gibt es Innovationen von Produkten, Prozessen und Geschäftsmodellen. Daten und Datenwerkzeuge in solche Produkte, Prozesse und Geschäftsmodelle zu integrieren, ermöglicht neue Wege, die vor 20 Jahren noch gar nicht vorstellbar gewesen wären. Meine Vision ist, dass die Digitalisierung die Innovation bisher beschleunigt hat und sich dieser Trend fortsetzen wird.

WARUM IST INNOVATION SO WICHTIG?

Ohne Innovation kann ein Unternehmen nicht wachsen. Innovation ist unabdingbar, um neue Werte für bestehende Kunden zu schaffen und um neue Werte zu schaffen, mit denen Sie neue Kunden gewinnen.

Aus Sicht des Konsumenten ist Innovation kritisch für eine stetige Verbesserung. Wie Sie Produkte verwenden und täglich damit arbeiten – all diese Verbesserungsmöglichkeiten beinhalten Innovation. Außerdem stehen wir uns vielen Umweltherausforderungen gegenüber, Probleme, die sich nicht ohne erhebliche Innovation lösen lassen.

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WAS SIND BEDEUTENDE HINDERNISSE BEI DER INNOVATION?

Die meisten Unternehmen haben aufgrund verschiedener Faktoren Schwierigkeiten bei der Innovation:

  • Verwaltungssysteme und Management-Methoden und -verhalten fördern die Innovation nicht. Vielmehr wird auf Prognostizierbarkeit, Kostensenkung, Kontinuität und Risikominimierung geachtet – alles Dinge, die der Innovation häufig im Weg stehen.
  • Innovation erfordert eine radikale Änderung der Kultur, um mehr Experimente, kontrollierte Risiken und kontrollierte Fehler zu ermöglichen. Außerdem sind praktische Schritte notwendig, um Menschen zu kreativem Denken anzuregen, insbesondere in Organisationen, in denen dies vorher nicht „erlaubt“ war.
  • Digitale Innovation wird häufig als die Aufgabe der IT-Abteilung betrachtet. Ein solches Szenario ist meistens zum Scheitern verurteilt, weil die meisten IT-Abteilungen nicht sehr innovativ sind. Vielmehr ist die Kultur im IT-Bereich auf das Gegenteil ausgerichtet: Kosten, Sicherheit, Standardisierung, Verfügbarkeit usw.

Unternehmen benötigen einen Prozess für Innovation – eine Möglichkeit, ein Innovationsportfolio zu verwalten. Ich denke, dass das Management hier viel tun kann, es muss aber eine bewusste Entscheidung sein, und die Innovationen müssen klar definiert werden. Manager ohne Erfahrung im Bereich Innovation können sich die entsprechenden Methoden und Denkweisen aneignen.

WARUM IST ES WICHTIG, DASS ORGANISATIONEN FÜR INNOVATIONEN EXPERIMENTIEREN UND KEINE ANGST VOR FEHLERN HABEN?

Dieses Thema hat zwei Seiten. Zunächst einmal geht es bei Innovation um neue Wege zur Problemlösung. Vorhandene Strukturen, die in der Vergangenheit für die Problemlösung genutzt wurden, müssen in Frage gestellt werden.

Einer der wichtigsten Aspekte bei der Innovation ist die Konzentration auf den „job to be done”, die zu erledigende Aufgabe.

Das Konzept des „job to be done” wurde auf Grundlage der Arbeiten von Professor Clayton M. Christensen an der Harvard Business School entwickelt. Diese zeigten, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, über die Lösung eines Problems nachzudenken. Das Wichtige ist, sich beim Definieren eines Innovationsprojekts auf den „job to be done” zu konzentrieren.

For example, do I want a drill, or do I want to have a hole in the wall? Is there a better way to create a hole, other than using a drill? Why do I need a hole? Is there another solution? What is the “job”?

Zum Beispiel: Brauche ich einen Bohrer, oder brauche ich ein Loch in der Wand? Gibt es eine bessere Möglichkeit, ein Loch zu erhalten – ohne Bohrer? Warum brauche ich ein Loch? Gibt es eine andere Lösung? Worin besteht der „Job“?

Wenn Sie den „Job to be done“ aus den Augen verlieren, verpassen Sie Chancen für echte Innovationen.

GIBT ES SPEZIELLE FUNKTIONEN, AUF DIE FÜHRUNGSKRÄFTE BEI DER AUSWAHL ODER ENTWICKLUNG EINES WERKZEUGS FÜR DIE INNOVATION ACHTEN SOLLTEN?

Meiner Erfahrung nach ist das Wichtigste, dass die Werkzeuge benutzerfreundlich sein müssen.

Ich habe erlebt, dass komplizierte Lösungen eingeführt wurden, die für die Menschen, die sie entwickelt hatten, völlig nachvollziehbar waren. Die tatsächlichen Anwender hatten allerdings Schwierigkeiten, weil das Werkzeug sich nicht leicht oder nicht wie erwartet bedienen ließ. Wir alle erleben dies ständig mit Consumer-Webanwendungen oder neuen Funktionen bei unseren Smartphones.

Für jedes erfolgreiche Innovationsprojekt müssen Sie Ihre Daten verstehen: Interaktionen zwischen verschiedenen Variablen, Möglichkeiten, wie sich Prozesse verhalten, wie sich Menschen verhalten, wie sich Lieferketten verhalten, wie sich das Klima verhält. Egal, worauf sich Ihre Innovationen beziehen, Sie müssen verschiedene Verhaltensweisen unter unterschiedlichen Bedingungen verstehen und modellieren.

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IST INNOVATION IMMER AUFGABE DES ENTWICKLUNGSTEAMS?

Das ist ein veralteter Gedanke – die intelligentesten Leute zu finden und sie dann irgendwo zu isolieren, in der Hoffnung, dass sie Innovation schaffen. Wir haben viel gelernt seit dieser Zeit der isolierten Innovation und festgestellt, dass Innovation eintritt, wenn Produkte VERWENDET werden. Gehen Sie einmal in einen Bahnhof oder eine Fabrik oder ein Logistikzentrum, und sprechen Sie mit den Menschen, die dort arbeiten. Fragen Sie sie, welche Probleme sie haben und wie sie diese gelöst haben. Sie werden auf einige beeindruckende Innovationen stoßen, die die Anwender selbst entwickelt haben, um die Probleme zu lösen, mit denen sie bei ihrer Arbeit konfrontiert waren. Die wichtige Lektion hierbei ist meiner Meinung nach, dass Innovation gemeinsam mit den Menschen im Betrieb erfolgen muss.

Heute haben sich die Verfahren für die Organisationsverwaltung weiterentwickelt, und die Mitarbeiter sind jetzt nicht nur im Rahmen ihrer Arbeit dafür verantwortlich, solche Ideen zu entwickeln, sondern sie sind normalerweise auch in die Umsetzung und Auswahl eingebunden. Und das gesamte Konzept der kontinuierlichen Verbesserung und des Ideenmanagements hat sich so weiterentwickelt, dass es in vielen großen Unternehmen in die täglichen Aufgaben integriert ist. Innovationsverfahren und -werkzeuge bauen darauf auf.

HILFT DIE KUNDENSTIMME BEI DER INNOVATION?

Sich nur auf die Kundenstimme zu verlassen, um Innovationen zu steuern, ist nicht immer das beste Verfahren. Der Schwerpunkt kann hierbei zu stark auf alten Denkweisen liegen, wodurch echte Innovationschancen verpasst werden.

Ich sehe einen interessanten Trend bei der kollaborativen Innovation. Die kreativsten Innovatoren arbeiten nicht immer in einem Fortune-500-Unternehmen, sondern häufig in Start-ups. Ein Chief Innovation Officer, den ich beraten habe, richtete z. B. gezielte Inkubatoren für die Zusammenarbeit mit Start-ups ein. So konnte sein Unternehmen von den Start-up-Mitarbeitern, deren Arbeitsweise und ihrer Unternehmenskultur profitieren, um Innovation zu schaffen. Der Vorteil für die teilnehmenden Start-ups liegt wiederum darin, dass das große Unternehmen sein erster Kunde wird, als Referenz dient und dem Start-up die Möglichkeit bietet, mit den praktischen Problemen in Kontakt zu kommen, die das Unternehmen für seine Kunden lösen möchte.

WARUM ERHALTEN MANCHE INNOVATIONEN KEINE UNTERSTÜTZUNG DES MANAGEMENTS?

Grund 1: In einigen Fällen scheuen Führungskräfte das Risiko, weil sie einen Hauptteil ihrer Arbeit mit Risikomanagement, „Brandbekämpfung“, Erreichen der nächsten KPIs und der Kommunikation mit Shareholdern verbringen. Je weiter man in der Führungshierarchie nach oben geht, desto geringer ist die Bereitschaft, ungewöhnliche Ideen oder riskante Projekte umzusetzen. Diesen Managern muss etwas Überzeugendes präsentiert werden, das ihnen Vertrauen für die Umsetzung gibt, denn wenn alle Ideen immer realisiert werden, besteht ein erhebliches Risiko, dass nicht alle Ideen erfolgreich sind und es zu entsprechenden Kosten und Ressourcenverschwendung kommt.

Grund 2: Neben dem Risikomanagement muss die Unternehmensführung eine Strategie verfolgen. Normalerweise ist dies ein Fünf-Jahres-Plan, auf den alles im Unternehmen ausgerichtet wird. Wenn nun jemand eine innovative Idee hat, die sich nicht mit der Strategie in Einklang bringen lässt, wird sie nicht unterstützt. Das kann frustrierend sein, denn jede Strategie hat auch Schwächen. Wenn man dies weiß, erkennt man, dass die Ablehnung einer neuen Idee aufgrund der Strategie bedeuten kann, dass man eine wichtige Änderung verpasst, die zu Innovation hätte führen können.

WAS KÖNNEN ORGANISATIONEN ALSO TUN, UM EINE KULTUR DER INNOVATION ZU FÖRDERN?

Um eine Innovationskultur zu schaffen, ist zunächst Unterstützung durch das oberste Management und eine Änderung von Verhaltensweisen erforderlich. Hierfür muss ein deutlicher Wechsel erfolgen: Weg von der Abhängigkeit von starren Managementsystemen und -verfahren und den konkreten Fünf-Jahres-Plänen.

Der „Job to be done“ muss klar in den Fokus gestellt werden. Dies bedeutet die Einbindung von Mitarbeitern aus allen Teilen des Unternehmens, insbesondere von den Menschen, die die tägliche Arbeit machen. Für jedes erfolgreiche Innovationsprojekt sind tiefe Einblicke in Ihre Daten erforderlich – nicht nur Einblicke in die derzeitige Umgebung, sondern auch Prognosen zu den Auswirkungen von Veränderungen. Dabei muss immer bedacht werden, dass Innovation nicht immer aus den naheliegenden Bereichen kommt. Häufig entsteht sie an überraschenden Stellen.

Es ist wichtig, aufgeschlossen zu sein und Räume zu schaffen, in denen neue Dinge ausprobiert und bestehende Annahmen in Frage gestellt werden dürfen.

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